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Chronik des TV 1912
Kesselbach
Die im 19. Jahrhundert entstandene Turnbewegung
von „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn fand auch den Weg nach Kesselbach. Um diesem „neumodischen“
Trend nachzugehen, taten sich einige turnbegeisterte junge Männer zusammen, jedoch ohne Geld und
ohne Geräte. Sie besuchten anfangs die Turnstunden bei benachbarten Vereinen.
Zu einem nicht protokollierten Zeitpunkt erklärte
sich Wilhelm Schwalb aus Staufenberg bereit, mit den wenigen Aktiven die ersten Übungsstunden
in Kesselbach abzuhalten.
Daraufhin wurde am 3. Februar 1912 eine Versammlung
einberufen und der Turnverein 1912 Kesselbach von 26 Männern gegründet. Der erste gewählte Vorstand bestand aus dem
1.Vorsitzenden Heinrich Schmidt
Schriftführer Heinrich Lang
Rechner Wilhelm Dietz II.
Turnwart Heinrich Hopp
Als Vereinsfarben wurden Grün und Gold festgelegt.
Bei der am 24. August 1912 stattge-fundenen und satzungsgebenden Generalversammlung kamen Heinrich Schomber als
2. Turnwart und Konrad Pfeiff als Beisitzer hinzu.
Somit war die Gründung des TV 1912 Kesselbach vollzogen.
Es wurde damals in der Satzung festgelegt, dass alle körperlich
gesunden Mitglieder unter 25 Jahren an den Übungsstunden teilnehmen mussten. Man ging sogar soweit, dass jedes
unentschuldigte Fehlen in der Turnstunde mit einer Geldstrafe geahndet wurde. In besonders harten Fällen konnte das
Fehlen sogar zum Vereinsausschluss führen. Man wollte also einen Verein mit „aktiven“ Mitgliedern,
um schnellstens an Wettkämpfen teilnehmen zu können.
Schon im Gründungsjahr 1912 wurden ein Staffellauf in Mainzlar und
ein Bergfest in Waldgirmes besucht.
1913 konnten auf dem Bergfest in Staufenberg fünf Siege errungen werden.
Zu diesem Zeitpunkt zählte der Verein bereits 59 Mitglieder.
Während des Ersten Weltkrieges (1914-1918) ruhte der Turnbetrieb, doch der Verein als solcher blieb bestehen.
Mit zum Teil sehr hoher Beteiligung wurde die Vereinsaktivität nach
dem Krieg wieder aufgenommen und zahlreiche Sportveranstaltungen, u. a. Gau- und Bergfeste, wurden besucht.
Da jedoch die Geldmittel zur Anschaffung der Turngeräte sehr knapp waren, wurden Anteilscheine
ausgegeben, welche in besseren Zeiten wieder beim Verein eingelöst werden konnten. Doch fast alle Scheine wurden späte
von den Anteilsbesitzern als Spende dem Verein überlassen.
Mit dem „geborgten Geld“ konnten nun die notwendigen Geräte wie Barren, Reck, Hanteln usw. angeschafft
werden und ein lebhafter Turnbetrieb setzte ein.
Nach 1919 war der Sportbetrieb vielseitiger geworden und die Abteilung Fußball wurde gegründet, der dann 1927 noch die Handballabteilung
folgte. Der Rasensport kam jedoch aufgrund der unglücklichen Sportplatzverhältnisse „Auf dem Pflaster“ nicht richtig zur Entfaltung.
Der Platz war zu abgelegen, zu uneben und zu schräg.
Schwerpunkte im Verein blieben nach wie vor das Geräteturnen und die Leichtathletik.
Ein jährliches Vereinsabturnen wurde ab 1922 durchgeführt, bei welchem sich die aktiven Sportler und auch die sportbegeisterten Einwohner
von Kesselbach messen konnten. Der Aufwärtstrend hielt in den 20er Jahren an und führte bei den besuchten Wettkämpfen zu guten Erfolgen.
Schon Ende 1925 zählte der Verein wieder 78 Mitglieder und 17 Schüler.
Die immer spürbarer werdende Weltwirtschaftskrise und die damit
verbundene Arbeitslosigkeit und große Armut machten es in den Folgejahren manchen Mitgliedern schwer, den Monatsbeitrag von 50 Pfennigen
zu zahlen. Es kam immer wieder zu Austritten und die Mitgliederzahlen schwankten bis 1933 zwischen 55 und 65.
Der in Kesselbach bestehende
Musik- und Wanderverein wurde 1933 in den Turnverein überführt und seine Mitglieder gleichberechtigt in den Verein übernommen.
Die Mitgliederzahl stieg dann bis 1939 wieder auf 83 Mitglieder.
Durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1939 kam der
Sportbetrieb erneut zum erliegen. Die ganze Aufbauarbeit war wieder vergebens, denn wie 1914 wurden abermals alle wehrpflichtigen Mitglieder
einberufen. Während des Krieges waren jegliche Vereinstätigkeiten untersagt, das Vereinsvermögen und die Geräte beschlagnahmt.
In der Nachkriegszeit und noch unter der neuen, amerikanischen Militärregierung kehrte wieder der Alltag
in Kesselbach ein und so wurde am 16. März 1946 erneut eine Gründungsversammlung einberufen; der TV wurde erneut aus der Taufe gehoben.
In der ausgelegten Liste trugen sich 71 Mitglieder ein, die Jakob Becker zum 1. Vorsitzenden wählten. Die „1912“ durfte jedoch erst
einige Jahre später wieder im Vereinsnamen mitgeführt werden.
Es begann wieder ein reger Sportbetrieb. Die wenigen Aktiven aus der Zeit vor 1939 setzten sich nun mit sehr gutem Erfolg für einen
Neustart ein. Der Lohn der Arbeit blieb nicht lange aus, denn die Jugend war es, die sich dem Verein in vermehrtem Maße anschloss.
Im Vordergrund standen wieder das Geräteturnen und die Leichtathletik. Gerade in der Leichtathletik konnten sehr gute Ergebnisse erzielt werden.
Auch im Handballbereich wurde wieder mit einer Frauen- Mannschaft und zwei Männermannschaften gespielt. Allerdings hat sich das
Sportplatzproblem über die Kriegsjahre nicht von selbst gelöst und so musste weiterhin auf dem alten Platz „Auf dem Pflaster“ gespielt werden.
Bedingt durch die schlechten Platzverhältnisse und um den Handballsport zu erhalten, wurde mit dem TSV 07 Londorf eine Spielgemeinschaft gebildet.
Leider hielt dieser Zusammenschluss nicht lange und der Rasensport erfuhr einen weiteren Stillstand.
Die Arbeit in der Leichtathletik in dieser Zeit ist besonders hervorzuheben. Mit den Nachbarvereinen Londorf, Allendorf, Treis und später
auch Nordeck wurden leichtathletische Vereinswettkämpfe durchgeführt. Die Gauturnfeste, Gaubergfeste und das Hoherodskopf-Bergfest wurden
regelmäßig und zum Teil mit sehr guten Erfolgen besucht.
Hatte der Verein in 1946 bei der Wiedergründung 71 Mitglieder, so stieg bis 1962 die Zahl auf 206 Mitglieder an.
Die jährlich stattfindenden Gau-Kinderturnfeste sind auch heute noch für die Kinder und Jugendlichen ein sehr schönes Erlebnis – ganz besonders dann,
wenn gute Ergebnisse erzielt werden.
Im Jahr 1951 erlebte der Turnverein zwei Sparten-Neugründungen: zunächst die Tischtennisabteilung. Hier sei besonders Walter Puhl als führendes
Mitglied zu nennen, der es verstand, eine schlagkräftige Mannschaft zu formen und die Jugend für den Fortbestand der Abteilung mit einzubinden.
Zweitens der Spielmannszug. Bereits vor dem Krieg hat wohl eine kleine Gruppe als Musik- und Wanderverein bestanden, und mit Karl Erb als Stabführer
wagten 12 Aktive einen Neuanfang.
Nach beruflich bedingtem Wegzug von K. Erb im Jahr 1957 übernahm Wilhelm Stein die Gruppe. Durch Spenden konnten
die vorhandenen Geräte repariert bzw. noch fehlende angeschafft werden. Bei der Ausbildung des auf 25 Spielleute angewachsenen Zuges übernahm
„Opa“ Karl Schmitz die Ausbildungsarbeit und Notenschulung. Zu vielen Anlässen im Ort, im Landkreis und weit darüber hinaus waren für die Spielleute
die Turnfeste, Vereins-Umzüge und Festzüge an der Tagesordnung.
Zum 40-jährigen Vereinsjubiläum von 1952 veranstaltete der Verein das Bergturnfest des Turngaues Mittelhessen „Auf der Rüde“. Vormittags fanden
die Wettkämpfe im Wald statt und nachmittags folgte auf der „Turnwiese“ die Weihe der Vereinsfahne. Der erste Fahnenträger war Ernst Rühl.
Der Wunsch, ein eigenes Sportgelände zu bauen, konnte nach langen, schwierigen Vorbereitungen, Gesprächen und Verhandlungen mit den Behörden
endlich in Angriff genommen werden, denn im Oktober 1960 wurde in einer Gemeinderatsitzung die „Trischen“ am Doberg als Sport- und Festplatz
ausgewiesen. Als einer der vielen Wegbereiter und Initiatoren sei stellvertretend der damalige 1. Vorsitzender Jakob Becker genannt.
Im Frühjahr 1961 begannen die Bauarbeiten. Das Gelände war sehr feucht und mit vielen kleinen Quellen übersät. Daher war ganz viel Handarbeit
notwendig und Pferdefuhrwerke ersetzten die wenigen Maschinen. Die Vereinsmitglieder von Jung bis Alt erbrachten mit sehr viel Eigenleistung
wahre Wunder, denn bereits 1962 konnten die Bauarbeiten abgeschlossen werden.
Am 23.09.1962 wurde zum 50. Vereinsjubiläum die Sportstätte eingeweiht, verbunden mit dem Bergfest des Turngaues Mittelhessen.
Eine Gründung der Fußball-Abteilung war bereits vorausgegangen und so stand dem Ballsport nun nichts mehr im Wege.
Über Interessenlosigkeit in den Folgejahren konnte man sich nicht beklagen, denn neben Turnen, Leichtathletik, Spielmannszug und Tischtennis
hatte der Verein jetzt noch Fußball im Programm.
Zum Waschen und Umziehen mussten die Sportler in die Waschküche des Vereinslokals „Höchster Hof“ gehen, da am Sportplatz noch keine
Dusch- und Umkleidemöglichkeiten bestanden.
In vielen ungezählten Arbeitsstunden und mit großen Anstrengungen wurde das Sportheim erbaut
und an Pfingsten 1973 eingeweiht. Durch mehrere Aus- und Umbauarbeiten wurde der heutige Stand erreicht. Nach einem Sturmschaden musste 2008
die komplette Dacheindeckung erneuert werden.
1974 musste der Spielmannszug wegen fehlendem Nachwuchs den Spielbetrieb einstellen. Kurz vor dem 75-jährigen Jubiläum lebte das Spielmannswesen
ab 1986 wieder auf und besteht seitdem als eine gut funktionierende Sparte.
Das Geräteturnen, das während des 50-jährigen Jubiläumsfestes noch Aushängeschild unseres Vereins war, ging langsam aber stetig zurück.
Im Laufe der Jahre haben sich im Erwachsenenbereich die Schwerpunkte in Richtung Gymnastik und Tanz verlagert, hier bestehen gegenwärtig mehrere Gruppen.
Bei den Kindern und Jugendlichen wird weiterhin geturnt und Leichtathletik betrieben.
Im Fußballsport wurde nach wechselvollen Jahren im Jahr 1984 mit dem SV Odenhausen/Lda. eine Fußballspielgemeinschaft eingegangen. In dieser SG
erreichten die Fußballer einige schöne Erfolge, wobei der Aufstieg 1995 in die A-Klasse und 2009 in die Kreisoberliga wohl als die Höhepunkte
angesehen werden können. Bedingt durch Spielermangel, musste mit dem FC Allertshausen im Jahre 2003 ein 3. Verein in die Fußballspielgemeinschaft
eingebunden werden.
Die Fußballjugend spielt mit anderen Vereinen der Großgemeinde Rabenau zusammen.
In den Jahren 1992 und 2002 konnte der Verein das 80- und 90-jährige Bestehen jeweils mit einem Fest feiern.
Der TV 1912 Kesselbach war in all den Jahren Gastgeber verschiedener Sportfeste für übergeordnete Verbände, wie das Gaubergturnfest sowie
die Kreis- und Bezirks-Crosslauf-Meisterschaften. Nun steht das 100-jährige Vereinsjubiläum an und folgende Sportarten und Aktivitäten werden
zurzeit angeboten:
Aerobic, Fußball, Gymnastik, Kinder- und Jugendturnen, Leichtathletik, Spielmannszug, Tanz und Tischtennis.
In dieser Chronik wurde versucht, die Höhen und Tiefen des Turnvereins 1912 darzustellen.
Freilich können leider nicht alle Personen mit ihren Funktionen und sportlichen Erfolgen genannt werden, ebenfalls möge man es dem Verfasser
nachsehen, wenn bestimmte Ereignisse nicht genannt sind.
Stand Juni 2009
Zusammenfassung der Vereinsgeschichte
1911 erste Turnstunde
2.2.191 Vereinsgründung
24.8 1912 Satzungsgebende Versammlung
1914 Sportbetrieb wird eingestellt
23.2.1919 Neugründung
1919 erste Himmelfahrtswanderung
1921 Gründung Spielmannszug
1922 Gründung Fußball
1926 Gau-Bergturnfest in Kesselbach
1927 Gründung Handball
1933 bestehender Musik- und Wanderverein integriert
1941 Sportbetrieb wird eingestellt
16.3.1946 Neugründung des Vereins mit 71 Mitgliedern
1948 1. Antrag zum Sportplatzbau an Gemeinde
1949 –54 Handballspielgemeinschaft mit dem TSV Londorf
1951 Gründung Tischtennis
1951 Neubeginn Spielmannszug
1952 40 jähriges Bestehen mit Bergturnfest und Fahnenweihe
1960 – 62 Sportplatzbau am Doberg
1962 Neugründung Fußball
1962 50 jähriges Bestehen mit Bergturnfest und Sportplatzeinweihung
1968 – 75 Fußball- Jugend SG mit Rüddingshausen
1971 – 72 Bau einer Flutlichtanlage (gebraucht)
1972 – 73 Sportheimbau
1984 Fußball SG mit dem SV Odenhausen
1987 75 jähriges Bestehen mit Fest
1987 – 88 Sportheimerweiterung
1987 Gründung Gymnastikgruppe Freizeit-Hopser
Ab 1987 Jugend SG mit den Rabenauer Vereinen
1992 80 jähriges Bestehen mit Fest
2002 90 jähriges Bestehen mit Fest
2003 Fußball SG mit dem SV Odenhausen und dem FC Allertshausen
2004 Gaubergturnfest in Kesselbach
2007 Gründung Aerobicgruppe
2011 Line-Dancer schließen sich an
2012 100 jähriges Bestehen mit Fest
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